Horrorbuch Rezension “The Stand – Das letzte Gefecht” von Stephen King (1978/1990)

Eigentlich ist The Stand sogar noch früher als “Cujo” und das “Feuerkind” publiziert und auch übersetzt worden (genauer erschien es bereits 1978 im Deutschen), aber Stephen King veröffentlichte eine zweite, ungekürzte Fassung einige Jahre später (1990 im Deutschen), auf die ich mich auch hier beziehe. Insgesamt wurde ich mit dem Buch jetzt nicht wirklich warm, einerseits weil es stellenweise etwas langatmig und gleichzeitig durch die zahlreichen Erzählstränge chaotisch wirkt und andererseits weil mir der religiös angehauchte Grundtenor wenig zusagt.

Stephen King “The Stand - Das letzte Gefecht” (1978/1990), CropTop

Stephen King “The Stand – Das letzte Gefecht” (1978/1990), CropTop

Worum geht es

Stephen King “The Stand - Das letzte Gefecht” (1978/1990), Buchdeckel

Stephen King “The Stand – Das letzte Gefecht” (1978/1990), Buchdeckel

Die Geschichte, welche sich über 3 Teile und einen Zeitraum von Juni 1990-Januar 1991 erstreckt, ist so klassisch King, dass es schon fast ein Deja-vu ist: die Regierung bzw. eine regierungsnahe Organisation entwickelt die Supergrippe (auch: “Captain Trips”) und blöderweise kommt sie ihr aus, sodass die Weltbevölkerung (zumindest in den USA) kurzerhand auf weniger als 1% reduziert wird. Die Überlebenden finden sich zusammen und gründen eine neue Gesellschaft. Genauer gesagt zwei Gesellschaften – nämlich eine “böse” und eine “gute”. Wie auch sonst bei King üblich ist die Geschichte anfangs noch relativ real und driftet dann langsam aber sicher ins Übersinnliche ab. Im aktuellen Fall beginnen die Menschen entweder von “Mutter Abigail” (stv. für die gute Gesellschaft) oder dem “Dunklen Mann” (Alias der Wandelnde Geck, Flagg, Satan usf. stv. für die schlechte Gesellschaft) zu träumen und finden sich primär an zwei verschiedenen Standorten zusammen.

Nach ersten Problemen bei der Gesellschaftsgründung zeigt sich immer mehr, dass die “gute” verstärkt auf demokratischen Prinzipien und die “schlechte” auf diktatorischen Prinzipien aufgebaut wird. Schließlich prallen die beiden aufeinander und ein (minimalistisches) Gefecht entbrennt, bei welchem letztlich die “Guten” siegen (allerdings ersteht der dunkle Mann im letzten Kapitel auf einer Insel wieder auf). Die wesentliche Kerntheorie wird dabei vom Soziologen Glen Bateman bereits relativ früh zusammengefasst:

“Zeigen Sie mir einen einzelnen Mann oder eine Frau, und Sie werden einen Heiligen oder eine Heilige sehen. Zeigen Sie mir zwei Menschen, und sie werden sich ineinander verlieben. Geben Sie mir drei, und sie werden das bezaubernde Ding erfinden, das wir »Gesellschaft« nennen. Geben Sie mir vier, und sie werden eine Pyramide bauen. Geben Sie mir fünf, und sie werden einen zum Paria stempeln. Geben Sie mir sechs, und sie werden das Vorurteil neu erfinden. Geben Sie mir sieben, und in sieben Jahren erfinden sie den Krieg neu. Der Mensch mag nach Gottes Ebenbild erschaffen worden sein, die menschliche Gesellschaft aber ganz sicherlich nach dem Ebenbild seines Gegenspielers, und sie will immer wieder nach Hause.”

Abgesehen von den ganzen religiösen Beziehungen in Richtung Offenbarung, die King bei Mutter Abigail einstreut (die allerdings dann das halbe Buch nicht auffindbar ist), findet der Autor letztlich ein recht überraschendes Fazit: die beste Gesellschaft sei keine Gesellschaft im eigentlichen Sinn, sondern nur kleine Gruppen, die sich persönlich kennen und deren Organisation relativ einfach abläuft. Und so ziehen die Helden der Geschichte letztlich wieder hinaus ins Land und weg von der menschlichen Großansammlung rund um Mutter Abigail in Boulder (Colorado, etwa in der Mitte der USA), welche zwischenzeitlich auch schon verstorben ist – mitten ins kleinstädtische und naturbelassene Maine. Denn letztlich sei nach King der allumfassende Rationalismus Ursache des Übels und im Rahmen des Gefechtes führt dieser Rationalismus (und der damit in weiterer Folge verbundene Technologieglaube) auch dazu, dass die “böse” Gesellschaft durch Explosion einer Atomwaffe hinweggefegt wird.

“Wer den Kanister verschüttet hat, ist nicht so wichtig, wenn man die allgemeine Wahrheit bedenkt: Am Ende aller Vernunft steht das Massengrab. Die Gesetze der Physik, die Gesetze der Biologie, die Axiome der Mathematik sind alle Teil dieses Todes-Trips, denn wir sind nun einmal, was wir sind. Wenn es nicht Captain Trips gewesen wäre, dann etwas anderes. Es war Mode, alles auf die >Technologie< zu schieben, aber die >Technologie< ist der Stamm des Baumes, nicht die Wurzel. Die Wurzel ist Rationalismus, und dieses Wort würde ich so definieren: Rationalismus ist die Vorstellung, daß wir einmal alles über das Dasein begreifen können.< Es ist ein Todes -Trip. Das ist es immer gewesen. Man kann die Seuche dem Rationalismus zuschreiben, wenn man will. Aber der andere Grund für unser Hiersein sind die Träume, und die Träume sind irrational. … Deshalb sage ich, was wir alle wissen: Wir werden von Kräften geleitet, die wir nicht begreifen. Für mich bedeutet das, wir akzeptieren vielleicht allmählich – vorerst noch unterbewußt und mit zahlreichen, kulturell bedingten Rückschlägen – eine neue Definition von Existenz. Die Vorstellung, daß wir niemals etwas über das Dasein begreifen können. Und wenn Rationalismus ein Todes-Trip ist, dann könnte Irrationalismus möglicherweise ein Lebens-Trip sein… jedenfalls so lange, bis das Gegenteil bewiesen ist.”

Mein Fazit

Ganz abgesehen davon, dass ich King’s Theorie nicht teile, erinnert es mich doch etwas zu stark an andere Autoren, die letztlich auch Religion o.dgl. als Ausweg einer zunehmenden Komplexität sehen, die nicht mehr sinnvoll vom Menschen erfasst werden kann – beschwört Dostojewski das Urchristentum, so ist es bei King eben das Göttliche bzw. Christliche an sich. Dabei mag es durchwegs sein, dass wir nicht alles verstehen und deshalb auch rational lösen können, wichtiger als ein göttliches Über-Ich scheint mir aber der Mensch selbst zu sein, der sich sehr wohl entscheiden kann, was er selbst oder eine Gesellschaft in weiterer Folge möchte. Zumindest im unmittelbaren Umfeld kann der Einzelne damit mehr bewegen als eine globale Einheit – ob mit oder ohne religiöse Unterstützung bzw. ethische Richtschnur. Fazit: allein wegen des religiösen Pampfes entbehrlich.

Verbindungen

Verbindung: “Brennen muss Salem
Verbindung: “Nachtschicht” (Kurzgeschichten)
Verbindung: “Sprengstoff” (Bachmann)
Verbindung: „Es
Verbindung: „Der Talisman
Verbindung: “The Dead Zone – Das Attentat” (Bösewichtfigur)
Verbindung: „In einer kleinen Stadt“ (Teufel)
Verbindung: „Desperation“ (Religion)
Verbindung: Der dunkle Turm (Zyklus)
Verbindung: “Im Morgengrauen“, aus Blut
Bibliographie

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