Fantasybuch Rezension “Der dunkle Turm (IV) – Glas” von Stephen King (1997)

Ehrlicherweise wird der Zyklus zum Dunklen Turm von Stephen King mit diesem, inzwischen vierten, Band namens “Glas” (engl. “Wizard and Glass”) immer schlechter. Ärgerlich ist insbesondere auch die stellenweise schlechte Übersetzung, ganz abgesehen von den sinnentfremdeten Titeln (bereits Band 1 war mit “Schwarz” aus “The Gunslinger” eine seltsame Wahl, bei Band 2 ging mit “Drei” aus “The Drawning of the Three” entsprechend viel verloren und spätestens mit Band 3 mit “Tot” aus “The Waste Lands” waren die Titel weit weg vom Englischen oder vom Inhalt, es stirbt schließlich keine der Hauptfiguren). Insgesamt mühsam.

Stephen King “Der dunkle Turm (IV) – Glas” (1997), CropTop

Stephen King “Der dunkle Turm (IV) – Glas” (1997), CropTop

Einleitung

Stephen King “Der dunkle Turm (IV) – Glas” (1997), Buchdeckel

Stephen King “Der dunkle Turm (IV) – Glas” (1997), Buchdeckel

Beim vierten Band hätte ich fast aufgegeben und was anderes gelesen, denn spätestens mit diesem Band sind die übersetzten Stellen an manchen Stellen unverständlich. Beispiel: Zu Beginn des Buches geben die Gefährten dem Zug Blaine Rätsel auf, die er lösen muß – einige davon sind so unlogisch übersetzt, daß ihr Sinn komplett verloren geht. Das Schlüsselrätsel, um Blaine zu besiegen, ist nun gar nicht mehr verständlich übersetzt, außer man schlägt das englische Original nach:

“Wieso konnte das tote Baby die Straße überqueren? Weil es auf dem Huhn festgeschnallt war.”
“Why did the dead baby cross the road? Because he was stapled to the chicken.”

Ein “festgeschnalltes” Baby ist einfach nicht tot, ein “festgetackertes” eben schon (siehe dazu auch King-Wiki). Zugegebenermaßen habe ich nur eine gescannte Kopie des Buches gelesen, aber wenn die Rätsel schon so schwer zu übersetzen sind, wäre zumindest eine Fußnote mit dem Originaltext hilfreich gewesen. Ganz abgesehen von den idiotischen Bildern am Buchrücken, aber das vernachlässige ich hier an dieser Stelle. In jedem Fall habe ich die Gelegenheit genutzt und nachgeschlagen, wer die Romane eigentlich übersetzt: Joachim Körber, der nebst diesem Roman auch zahlreiche andere King-Bücher ins Deutsche übertragen hat und auch Band 1-4 des Dunklen Turms.

Ab Band 5 wechselte der Heyne-Verlag zu Wulf Bergner – ob dies eine Verbesserung darstellt, weiß ich noch nicht, aber zumindest ist die Möglichkeit dazu in Sicht. Anmerkung: Natürlich könnte ich die Romane auch im Englischen lesen, aber ich bin faul und außerdem lese ich sie nur, weil ich sie kostenlos auf dem ebook-Reader habe. In jedem Fall habe ich in Wikipedia gelesen, daß Bergner einige Textstellen nachträglich geändert hat, beispielsweise wurde aus “die Welt hat sich weitergedreht“ nun „die Welt hat sich weiterbewegt“.

Aber zurück zum Buch.

Worum geht es?

“Glas” ist eigentlich eine Geschichte in einer Geschichte. Denn der vierte Band beginnt wie üblich ziemlich genau dort, wo der dritte Band aufgehört hat. Die letzten Sätze von “Tot“, dem dritten Band, betreffen den Beginn der Rätselrunde, welche von Blaine gestartet wird. Die ersten Sätze von “Glas” beginnen exakt mit diesen Rätseln und der Reise ins Wüste Land. Im letzten Moment können sie Blaine das o.g. Rätsel stellen, welches dieser nicht erraten kann und gewinnen damit. Blaine kracht in die letzte Haltestelle in Topeka und die Zugreise ist zu Ende.

Nur leider stellen sie fest, daß der Balken verschwunden ist und sie sich in einer anderen Dimension befinden, in der Nähe von einer sogenannten Schwachstelle, die analog von Schwarzen Löchern Materie zerstört und wie ein quecksilberfarbener See in der Landschaft wabert. In dieser Welt sind sie im Zentrum der USA in Kansas alias Mittwelt, ein Grippevirus namens Captain Trips hat die Welt zerstört und eine Folge à la “The Stand” zurück gelassen. Laut einer Zeitung ist das letzte bekannte Datum der 24. Juni 1986, ein Jahr bevor Eddie in die Welt des Revolvermannes kam. Die Gruppe kommt zum Schluß, daß die Supergrippe zwar nie passiert ist, aber sie dennoch geschehen ist – ähnlich wie Jake starb und dennoch lebt.

“(Es) gibt viele mögliche Welten und eine unendliche Vielzahl von Türen, die zu ihnen führen. Dies ist eine dieser Welten; die Schwachstelle, die wir hören können, ist eine dieser Türen … nur viel größer als die, die wir am Strand gefunden haben. … Diese Schwachstelle … Wir sind durchgekommen. So sind wir hierher gelangt, in dieser Version von Topeka. … Schwachstellen sind nicht natürlich – sie sind Schwären auf der Haut der Existenz und können nur existieren, weil irgend etwas schiefgeht. In allen Welten. … Weil beim Dunklen Turm etwas nicht stimmt. … Was auch immer mit uns passiert ist, es hat uns aus unserer Welt hinauskatapultiert … Wir sind vom Balken gefallen.”

Um wieder in ihre Dimension zurück zu kehren, müssen sie den Weg zurück gehen und damit wieder den ursprünglichen Weg am Balken finden. Sie gelangen schließlich zu einem Glaspalast, in dessen Nähe rote Schuhe stehen und dessen ganzes Szenario stark an den Zauberer von Oz erinnert. Durch Aneinanderschlagen der Schuhe öffnen sie die Türen, betreten den gläsernen Palast und finden einen verrückten und halbtoten Andrew Quick, den sie töten und einen zweiten namens Richard Fannin, der Quick im dritten Teil aus der Unterwelt von Lud gerettet hat, allerdings im letzten Moment fliehen kann. Fannin wiederum ist jener Dämon, vor welchem Walter Roland im ersten Teil gewarnt hat und in dem Roland Marten Broadcloak wieder erkennt – jenen Zauberer, der seine Mutter verführt hat und der sich auch Flagg wie in “The Stand” oder Maerlyn selbst nennt. Als Roland eine Waffe aus Eddies bzw. Susannahs Welt auf ihn hält, verschwindet der Magier und läßt eine magische Kugel zurück.

Der Hauptteil des Romans ist jedoch nicht diese Geschichte, sondern eine Erzählung von Roland aus früheren Zeiten, als er erst 14 Jahre alt war. Sie beginnt mit dem Verlassen von Gilead bzw. Innerwelt, nachdem Roland aufgrund der Untreue seiner Mutter verfrüht zum Revolvermann wurde und in die entfernte Stadt Hambry bzw. Mittwelt führt, um dort Zählungen durchzuführen. Sein Vater Steven Deschain, der von der Untreue weiß, will ihn dadurch vor der Rache von Marten, dem Geliebten von Rolands Mutter und Hofzauberer bewahren, gleichzeitig deckt Roland allerdings unfreiwillig eine Verschwörung auf: einige Bewohner der Stadt züchten Pferde für den Feind der Baronie, den “Guten Mann” alias John Farson und haben Ölpumpen reaktiviert, mit welchen gefährliche Waffen für den Staatsfeind der Baronie wieder in Betrieb genommen werden sollen.

Roland wird begleitet von seinen beiden Freunden Cuthbert und Alain, während er sich gleichzeitig in die Dorfschönheit Susan Delgado verliebt, die jedoch in Bälde dem veralteten Bürgermeister Thorin als Mätresse dienen soll. Die breit angelegte Liebesgeschichte endet schließlich mit dem Tod Susans – sie wird zum Erntedankfest, d.h. Jahresende bzw. Charyou-Baum am Scheiterhaufen verbrannt – während die Verschwörung von den Helden verhindert werden kann. Auch in diesem Fall war ein Ka-tet von 5 Personen lösungsverantwortlich, nur ist in der aktuellen Geschichte Susannah mit Eddie liiert und nicht Susan mit Roland, ganz abgesehen von den anderen Unterschieden der beiden Figuren. Der fünfte im Bunde ist in der erzählten Geschichte ein zurückgebliebener Junge namens Sheemie, welcher von Cuthbert gerettet wird und ihm damit ergeben ist (ähnlich wie Oy an Jake hängt).

  1. Revolvermann – Revolvermann
  2. Cuthbert – Eddie (gekennzeichnet durch Scherze)
  3. Susan – Susannah (Geliebte von Eddie/Revolvermann)
  4. Alain – Jake (agiert als treuer Ruhepol)
  5. Hundeähnliches Tier Oy – zurückgebliebener Sheemie

Als Schlüssel zeigt sich in einem Nebenstrang eine rosa Kristallkugel, welche die (schlechte) Realität bzw. Zukunft an anderen Orten zeigt und auch das Liebesaus für Susannah und Roland bedeutet. Sie stellt eine der magischen Kugeln mit unterschiedlichen Eigenschaften dar, die Maerlyn geschaffen hat und stark an die Kristallkugel von “Der Talisman” erinnert. Maerlyn hat in frühreren Zeiten für jede Regenbogenfarbe eine der Kugeln erschaffen, die jeweils eine bestimmte Funktion haben und sich in den Farben des Glaspalastes widerspiegeln.

Insgesamt soll es davon 13 geben, eine für jeden der 12 Wächter und eine für den Kreuzpunkt der Balken. Laut Roland sollen die meisten zerbrochen sein, nur die blaue soll bei den langsamen Mutanten sein, die grüne und orangene in Lud und die rosafarbene bei John Farson. Ihre Hauptaufgabe ist es in jedem Fall zu “Sehen”, gleichzeitig wirkt das “Fern-Sehen” jedoch auf den Benutzer zerstörerisch. Beispielsweise magert die Hexe Rhea von Cöos, die das Liebespaar verrät und Roland zum Tod an seiner Mutter verleitet, während der Benutzung ab und mutiert halb zur Sterbenden, die nur durch Blut an einer anderen noch am Leben erhalten wird.

“Manche Farben vom Regenbogen des Zauberers können angeblich in die Zukunft sehen. Andere sehen in andere Welten – dorthin, wo die Dämonen leben, dorthin, wo das Alte Volk angeblich verschwunden ist, als sie unsere Welt verlassen haben. Diese zeigen möglicherweise auch die verborgenen Türen zwischen den Welten. Andere Farben, sagt man, können tief in unsere Welt hineinschauen, und Dinge zeigen, die die Menschen lieber geheimhalten würden. Sie sehen niemals das Gute; nur das Böse. Niemand weiß mit Sicherheit, wieviel davon Wahrheit ist und wieviel Mythos. … (Farson) kann sie nicht die ganze Zeit bei sich haben. … Weil sie am Leben und hungrig sind. … Am Anfang benutzt man sie; am Ende wird man von ihnen benutzt.”

In jedem Fall führt die Kugel die beiden Geschichten des Romans auch wieder zusammen. Als die Gefährten im Glaspalast die Kugel vom Zauberer nehmen, sehen sie wie Roland seine eigene Mutter nach seiner Rückkehr nach Gilead (irrtümlich) getötet hat. Aus Zorn will Roland die Kugel zerschmettern, da er auch erkennt, daß sie das einzig gleichbleibende und einzigartige der Geschichten darstellt. In diesem Moment werden die Gefährten jedoch wieder in die “korrekte” Dimension geworfen und finden sich Stunden später einige Kilometer vom Glaspalast entfernt wieder auf dem Weg des Balkens, wo sie ihre Reise fortsetzen und wo dieser Teil des Romanzyklus endet.

An vielen Stellen wird der Roman durch die zahlreichen Querverweise nicht unbedingt leicht lesbar. So webt King auch verschiedene andere Figuren aus vorherigen Teilen des Zyklus mehr oder minder passend ein. So hat eine Wanderpredigerin Silvia etwa Hambry durchquert und auch der Schwarze Mann alias Walter taucht während der Geschichte in Rolands Jugend auf, um sich über den aktuellen Status der Lieferungen und der Jungen zu informieren. Als schließlich Roland als Vierzehnjähriger in die Kugel sieht, entdeckt er durch die Schildkröte auch sein eigenes Schicksal, sieht indirekt Susans Tod, seine vier neuen Gefährten und natürlich den Dunklen Turm:

“(E)ine staubige, grau-schwarze Säule, die am Horizont aufragt: der Dunkle Turm, der Punkt, an dem sich alle Balken, alle Kraftlinien, vereinigen. In den spiralförmig angeordneten Fenstern sieht er pulsierendes elektrisches blaues Feuer und hört die Schreie aller, die dort eingeschlossen sind, er spürt sowohl die Macht dieses Ortes und seine Falschheit, er kann spüren, wie der Turm das Falsche über alles ergießt, wie er die Grenzen zwischen den Welten aufweicht, wie sein Potential für Unheil immer größer wird, während zugleich die Krankheit seiner Wahrheit und Kohärenz schwächt wie bei einem Körper, den der Krebs befallen hat; dieser lotrechte Arm aus dunkelgrauem Stein ist das größte Geheimnis und das letzte schreckliche Rätsel der Welt.”

Zurück in Kansas verwendet King ähnliche Querverweise – so entdecken die Gefährten einen Zettel an einem Auto, auf welchem steht, daß die alte Frau aus den Träumen namens Abigail in Nebraska ist und der dunkle Mann im Westen in Vegas. Und auch wenn die Gefährten mit dem Namen Abigail nicht viel anfangen können, ist für den geübten King-Leser doch klar, daß es sich um die Schlüsselfigur aus “The Stand” handelt:

“‘Ich glaube, sie gehört zu einer anderen Geschichte’, sagt Roland. ‘Aber einer Geschichte, die eng mit dieser verwandt ist’, warf Eddie unvermittelt ein. ‘Möglicherweise gleich nebenan. Dicht genug, daß sie Zucker gegen Salz eintauschen kann … oder Streit vom Zaun brechen.’ ‘Ich bin sicher, daß du recht hast’, sagte Roland, ‘und vielleicht bekommen wir es noch mit der ‘alten Frau’ und dem ‘dunklen Mann’ zu tun … aber heute liegt unsere Aufgabe im Osten. Kommt mit.’”

Formaler Aufbau

Der Inhalt ist, gemessen an den anderen Romanen des Zyklus, wenig überraschend und besteht aus 4 Kernteilen, wobei der größte Teil die Erzählung des Revolvermannes umfasst:

  • Vorrede
  • Prolog
  • Erster Teil: Rätsel
  • Zweiter Teil: Susan
  • Dritter Teil: Komm, Ernte
  • Vierter Teil: Alle Kinner Gottes haben Schuhe
  • Nachwort

Mein Fazit

In Summe wird die ganze Story jedoch meiner Meinung nach zunehmend flacher und durch seine zahlreichen Querverweise gleichzeitig verworrener. Zwar entwickelt King ein paar ansprechende Erzählstränge, aber alle sind logisch, “anständig” und meist wenig überraschend. Kreative Ideen sind da, aber nicht neu, sondern eher von verschiedenen Filmen zusammen kopiert und leicht verändert. Insgesamt eine etwas lange Reise, gespickt mit zahlreichen Fantasy-Elementen und sicher leicht zu lesen, abgesehen von den zahlreichen Verweisen zu anderen King-Stories. King selbst meint dazu im Nachwort:

“Ich begreife allmählich, daß Rolands Welt (oder Welten) in Wahrheit alle anderen enthält, die ich geschaffen habe; in Mittwelt gibt es Platz für Randall Flagg, Ralph Roberts, die wandernden Jungs aus ‘Die Augen des Drachen’, sogar für Pater Callahan, den verfluchten Priester aus ‘Salem’s Lot’, der Neuengland mit dem Greyhound-Bus verließ und an der Grenze des schrecklichen Landes von mittwelt namens Donnerhall herauskam. Dort scheinen sie alle zu landen, und warum auch nicht? Mittwelt war zuerst da, vor allem anderen, und träumte unter dem Blick von Rolands blauen Kanoniersaugen. … Am Ende wird Rolands Ka-tet zu der nächtlichen Landschaft von Donnerhall kommen … und zu dem, was jenseits davon liegt. Vielleicht überleben nicht alle und erreichen den Turm, aber ich glaube, daß diejenigen, die ihn erreichen, aufrecht und treu sein werden.”

Anders ausgedrückt schreibt King eigentlich immer das Gleiche. In jedem Fall fand ich den Romanteil als am anstrengendsten und mühsamsten von allen. Die Liebesgeschichte von Roland und Susan ist mäßig interessant und viel zu kitschig schön, beinahe fad. Die Gefährten von Roland sind in beiden Erzählsträngen ebenfalls dermaßen “gut”, daß einem schon fast übel wird. Sie scheinen keine Fehler zu haben und wenn, dann sind sie entschuldbar, so wie der Muttermord durch das Zusammenwirken der Hexe Rhea. Zwar interessiert mich das Ende des Zyklus noch, aber ich glaube es wird immer mühsamer, dorthin zu gelangen.

Verbindungen

Verbindung: “Der dunkle Turm (Zyklus)
Verbindung: “Der Talisman” (Kristallkugel)
Verbindung: “The Stand” (Apokalypse)
Verbindung: “Die Augen des Drachen” (Protagonist Roland)
Verbindung: “Langoliers” (Farbenpracht Palast)
Bibliographie

2 Kommentare

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