Thriller / Horrorbuch Rezension “Dolores” von Stephen King (1992)

Beinahe zeitgleich mit “Gerald’s Game” / “Das Spiel” veröffentlichte Stephen King noch ein zweites Buch, in welchem auch eine Frau im Mittelpunkt steht: “Dolores Claiborne”, im Deutschen einfach als “Dolores” erhältlich. Vor allem ist es das erste Buch von King (nach immerhin über 20), das mir eigentlich wirklich gefallen hat und das ich als lesenswürdig empfehlen würde – zumindest zu 80%.

Stephen King “Dolores” (1992), CropTop

Stephen King “Dolores” (1992), CropTop

Einleitung

In vielerlei Hinsicht unterscheidet sich das Buch von allen bisherigen King-Büchern. Rein formal ist es nicht in die üblichen Teile oder Kapitel untergliedert, sondern als zusammenhängender Text geschrieben; außerdem ist der gesamte Roman als Monolog von Dolores gehalten und erst zum Schluss noch um einige Zeitungsausschnitte ergänzt. Und last but not least gibt es nur sehr wenige SF- oder Horrorelemente – ein Umstand, der in jedem Fall positiv ist, da die inneren Kämpfe der Hauptfigur so umso mehr betont werden, ohne im “Rausch” von literarischen Spezialeffekten unterzugehen.

Worum geht es?

Stephen King “Dolores” (1992), Buchdeckel

Stephen King “Dolores” (1992), Buchdeckel

Das Buch spielt auf der fiktiven Insel “Little Tall Island” vor der Küste von Maine im Norden von Neuengland. Auf diesem nur mittels einer Fähre erreichbaren Eiland hat Dolores Claiborne, die Hauptfigur des Romans, so gut wie ihr ganzes Leben verbracht. Inzwischen 65 beginnt das Buch damit, dass sie bei der Polizei aufgrund des Todes ihrer Arbeitgeberin Vera Donovan ein Geständnis ablegt. Allerdings nicht wie vermutet zum Mord an Vera, sondern an ihrem Ehemann vor rund 30 Jahren. Im Zuge dessen erzählt sie die halbe Nacht über ihr ganzes Leben, warum sie ihren Mann getötet hat, über ihr zwiespältiges Verhältnis zu ihrer Arbeitgeberin, die ebenfalls ihren Mann ermordet hat und die Entfremdung zu ihren Kindern.

Es ist insgesamt ein düsteres, eisiges Buch, das an vielen Stellen durch die schmerzliche Realität der Dolores Claiborne beeindruckt, die, am Ende ihres Lebens angekommen, erkennen muss, dass ihre romantischen Mädchenträume einer harten Erfüllung gewichen sind. Mit 18 wird sie von Joe St. Georg geschwängert und heiratet den grobschlächtigen und unsensiblen Mann. Insgesamt wird sie in der Ehe drei Kinder gebären und einen Großteil ihres Lebens als Haushälterin bei der reichen Vera Donovan verbringen und sich von ihr schikanieren lassen. Ihr ganzes Interesse liegt im Wesentlichen darin, durch ihren Fleiß und ihre Überstunden das notwendige Geld für den Collegebesuch ihrer Kinder zu verdienen, während Joe sich weitaus weniger engagiert, lieber mit Kumpel trinkt und sie auch schlägt.

Ob des Arbeitsvolumens übersieht sie beinahe, daß sich ihre älteste Tochter  Selena verändert hat. Voller Schmerz und Hass entdeckt sie, daß Joe sie bereits seit einiger Zeit missbraucht und dadurch die Veränderung ausgelöst hat. Als sie beschließt das Collegegeld abzuheben und mit den Kindern wegzugehen, muss sie allerdings beim Bankbesuch feststellen, daß Joe mit einem Trick das Konto geplündert hat und sie mittellos und abhängig von ihm bleiben muss. Völlig verzweifelt offenbart sie sich der harten Vera Donovan, welche sie durch Hinweise dazu anleitet, Joe mittels eines Unfalls umzubringen. Am Tag der Sonnenfinsternis provoziert sie Joe und schafft es ihn zu einem Brunnenschacht zu locken, in welchen er fällt und stirbt.

Ihre Kinder können eine normale Entwicklung nehmen, aufs College gehen und ihre Tochter wird Schriftstellerin, während sich ihr ältester Sohn der Politik zuwendet; der jüngste Sohn stirbt im Krieg. Dolores selbst bleibt in Little Tall Island und arbeitet weiterhin Jahr für Jahr für Vera Donovan, welche allerdings mit den Jahren immer bösartiger und verhärmter und schließlich zum Pflegefall wird. Immer wieder leidet Vera außerdem unter Verfolgungsangst und der Wahnvorstellung, daß sie von Staubflocken verfolgt wird, die das Gesicht ihres verstorbenen Mannes haben. Von ihnen gedrängt fällt sie schließlich eines Tages über die Stiege und verletzt sich tödlich. Als Dolores zu ihr kommt, bitte Vera sie, sie umzubringen, um das Leiden zu beenden. Dolores stimmt zu, als sie allerdings mit dem Nudelholz wiederkehrt, ist Vera bereits verstorben.

Der Postbeamte überrascht Dolores und verdächtigt sie des Mordes – schließlich sind die Gerüchte um den Mord an ihrem Mann nie verstummt. Gleichzeitig erhält sie die Nachricht, daß ihr Vera rund 30 Millionen Dollar vererbt hat. Dabei entdeckt Dolores, dass beide Kinder von Vera, von denen sie immer wieder erzählte, bereits vor über 30 Jahren bei einem Unfall ums Leben kamen. Die scheinbar harte und grausame Vera versuchte durch Erzählungen der Kinder an Dolores offenbar, sie schlichtweg doch noch ein wenig am Leben zu erhalten. Verstört und verängstigt, daß sie die Inselbewohner spätestens bei Bekanntwerden der Erbschaft verdächtigen und bedrohen werden, beschließt sie zur Polizei zu gehen und alles zu gestehen, was sie mit dem Buch, das als Monolog geführt ist, auch tut. Das Buch endet etwas unnötig positiv, indem Zeitungsartikel zitiert werden, nach welchen Dolores freigesprochen wird und eine 30 Millionen Spende an ein Waisenhaus ging und Dolores auch wieder Kontakt zu ihren beiden verbliebenen Kindern aufnimmt.

Mein Fazit

Neben dem etwas unsinnigen Ende mit Zeitungsartikeln ist das Buch vor allem auch durch eine Parallelführung zu “Das Spiel” gekennzeichnet. Das Leben beider Frauen ändert sich schlagartig mit der Sonnenfinsternis: Dolores bringt ihren Mann um und Jessie wird von ihrem Vater missbraucht. In beiden Büchern sehen sich die Frauen für einen kurzen Zeitpunkt gegenseitg und natürlich handeln beide Bücher von Kindesmissbrauch und ihren Auswirkungen.

“Alles, was ich tat, habe ich aus Liebe getan – aus der Liebe, die eine Mutter für ihre Kinder empfindet. Das ist die mächtigste Liebe, die es auf der Welt gibt, und zugleich ist es die tödlichste. Es gibt kein schlimmeres Luder als eine Mutter, die Angst um ihre Kinder hat.”

King widmete das Buch übrigens seiner Mutter Ruth Pillsbury King. Den Roman “Das Spiel” widmete er sechs Frauen, u.a. seiner Ehefrau. Insgesamt ein meiner Ansicht nach gelungenes Buch und bislang das erste von Stephen King, das ich jemand anderem auch empfehlen würde.

Verbindungen

Verbindung: “Das Spiel
Verbindung: “Das Bild” (Misshandlung Frau)
Verbindung: “Alpträume
Verbindung: “Der Gesang der Toten” aus Blut (Insel)
Verbindung: “The Green Mile” (Intensität)
Verbindung: “Der Sturm des Jahrhunderts” (Insel)
Bibliographie