ScienceFiction-Buch Rezension “Menschenjagd” von Richard Bachmann (1982)

“Menschenjagd” wurde ein Jahr nach “Sprengstoff” ebenfalls von Stephen King unter dem Pseudonym Richard Bachmann veröffentlicht, während King unter eigenem Namen zeitgleich den ersten Teil der Dunklen Turm-Serie publizierte. Obwohl ich von Sprengstoff schon wenig angetan war, beschloß ich noch ein Buch des Pseudonyms zu lesen, um zu sehen, ob sich King hier weiterentwickelt hat. Insgesamt durchaus gelungen.

Richard Bachmann “Menschenjagd” (1982), CropTop

Richard Bachmann “Menschenjagd” (1982), CropTop

Worum geht es

Richard Bachmann “Menschenjagd” (1982), Buchdeckel

Richard Bachmann “Menschenjagd” (1982), Buchdeckel

Und zu meiner eigenen Überraschung ist das ein Jahr nach Sprengstoff publizierte Menschenjagd wirklich um einiges besser und spannender. Die Geschichte ist über weite Strecken intelligent, witzig und fesselnd. Im Hinblick auf 9/11 hat das Buch sogar eine unfreiwillige zweite Symbolik, die King aber naturgemäß weder beabsichtigte, noch wissen konnte.

Die Science-Fiction Geschichte beginnt im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert, im Jahr 2025: die amerikanische Gesellschaft ist zweigeteilt in eine reiche und ignorante Oberschicht, die sich alle Annehmlichkeiten der Bürgerlichkeit leisten kann inklusive Nasenfilter zur Abwehr der enormen Umweltverschmutzung und eine verarmte Rest-Bevölkerung, die in einfachen Behausungen dahin vegetiert und aufgrund der schlechten Arbeits- und Gesundheitsbedingungen nicht selten an diversen Krebs- und Lungenkrankheiten verstirbt. Geeint werden sie nur durch das staatsweite “Free-Vee” Fernsehen, dessen Geräte in allen Haushalten und Orten stehen und die Bevölkerung durch eine einflußreiche Fernsehanstalt im Hintergrund manipulieren. Ihre Erfindung sind auch morbide Spiele, die live übertragen werden und in der Regel darin bestehen, daß sich Teile der Unterschicht gegen Entgelt quälenden Spielen analog den Gladiatoren der Antike unterwerfen und die meist mit dem Tod des Teilnehmenden enden. Herzkranke werden etwa bei “Tretmühle zum Reichtum” gezwungen, am Laufband solange zu laufen und Quizfragen zu beantworten, bis sie einen Herzanfall bekommen oder eben “Menschenjagd”, das größte aller Spiele, bei welchem die Teilnehmer durch das ganze Land gejagt werden bis sie jemand aus der Bevölkerung schafft zu stellen und dafür die Kopfprämie zu erhalten.

Benjamin Richards ist einer dieser Familienväter der “Unterschicht”, die in Co-Op City leben und der aufgrund einer Kritik an seinen Vorgesetzten keinen Job mehr bekommt. Seine Familie lebt an der Armutsgrenze und während seine Frau Sheila gezwungenermaßen der Prosititution nachgeht, droht seine Tochter Cathy an einer Lungenentzündung zu sterben, da sich die Familie keinen Arzt leisten kann. Um die notwendigen Medikamente für seine Tochter kaufen zu können, meldet sich Richards deshalb bei der Fernsehanstalt für die Teilnahme an den Spielen und wird schließlich für Menschenjagd ausgewählt – jenes Spiel, das bislang noch kein Teilnehmer überlebt hat. Für jede überlebte Stunde erhält Richards (bzw. seine Frau) jeweils 100 Dollar, sollte er sogar einen Monat überleben erhält er den Jackpot und sein Leben – jeweils vorausgesetzt, daß er sich selbst zwei Mal täglich 10 Minuten filmt und das Ergebnis per Post an die Gameshow übermittelt. Nach einigen Tagen Pause beginn er seine Flucht quer durchs Land und verfolgt von sowohl privaten und öffentlichen Kameras wie auch mordlüsternen Bevölkerungsteilen, die ihm nach dem Leben trachten und johlend seine Verfolgung als TV-Show beklatschen.

Im letzten Teil seiner von Beginn an relativ aussichtslosen Flucht trifft er schließlich auf die Hausfrau und Bewohnerin der Oberstadt Amelia, die er mitsamt ihrem Pneumofahrzeug entführt. Als Gegenstück zu Richards sind ihre meisten Probleme eher bürgerlich-trivialer Art und wie alle anderen raucht sie auch verstärkt Dope, um ihr Leben zu meistern. Allerdings lässt sie sich von Richards Schicksal zumindest etwas erweichen und belügt die Polizei, daß Richards eine Bombe bei sich hätte. Unter dem Auge von wachsamen Kameras und Menschenmassen vor Ort – sowohl aus Ober- wie auch Unterschicht – kommt es schließlich zur Nervenprobe mit dem Chefverfolger der Spiele, Evan McCone, die in der Entführung beider in einem Flugzeug endet. Dort erfährt er schließlich auch, daß seine Frau und Tochter bereits seit 10 Tagen tot sind erhält vom Leiter der Fernsehanstalt, Dan Killian, das Angebot, als Ermittler die Stelle von McCone einzunehmen. Schwerverletzt und übermüdet stimmt er zunächst zu, erschießt aber im Anschluß das anwesende Flugpersonal und McCone, während Amelia mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug springt. Mit letzten Kräften navigiert Richards das Flugzeug schließlich nach Harding zurück, zum Hauptsitz der Spiele und lenkt es in jenen Büroturm, in welchem der Spielerat inklusive Killian sitzt.

Mein Fazit

Insbesondere durch den Abschluß der Geschichte drängt sich natürlich die Parallele zu 9/11 und den Twin Towers auf, denn auch wenn der Westen nicht wirklich den Nahen Osten und Einfluß des Islam auf die Politik verstehen kann oder will, sind und bleiben Amokläufe wie diese (oder auch jener vor einigen Tagen vor der US-Notenbank) letztlich doch eine Verzweiflungstat von Einzelpersonen mit ihrem individuellen Lebenslauf, die man ohne Beschäftigung mit dem Anderen und kritische Betrachtung der Berichterstattung wohl nie nachvollziehen kann. Auch ohne 9/11 zeigt King mit der Geschichte nebst der Zweiklassengesellschaft sicher auch irgendwie die triviale logische Konsequenz diverser Shows à la Big Brother auf, die sich nach wie vor reger Beliebtheit erfreuen, trotz ihres sinnentleerten und morbiden Inhalts. Dennoch habe ich Zweifel, daß King die Geschichte nach 9/11 geschrieben hätte – vielleicht täusche ich mich aber auch in seiner US-Bürgerlichkeits-Treue.

In jedem Fall ist noch eine formale Besonderheit am Rande erwähnenswert: King schrieb den Roman in 100 Kapiteln und beginnt jedes Kapitel mit “… Minus 100 … und der Countdown läuft …”, die er bis 0 herunterzählt. Durch das nüchterne Ende lässt King letztlich allerdings nicht wirklich viel Optimismus am Ende übrig (wobei jedes andere Ende umgekehrt ohnehin lächerlich gewesen wäre). Allein die an manchen Stellen etwas zweifelnde Amelia scheint noch eine geringe Prise an Hoffnung zurück zu lassen. Inhaltlich hat das Buch am ehesten Verbindungen zu den Kurzgeschichten von King oder auch jenen Büchern mit Amokläufern wie “Sprengstoff“. Insgesamt ein recht gelungenes Buch, ohne Horror und in jedem Fall spannend.

Verbindungen

Verbindung: “Sprengstoff
Verbindung: „Der Fluch
Verbindung: “Nachtschicht” (Kurzgeschichten)
Bibliographie

5 Kommentare

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