Flüsterndes Land. Folge 8: Der zweite Spiegel (Melk)

„Manche Spiegel zeigen dein Gesicht. Andere zeigen dein Gewissen.“


Melk, Niederösterreich. Ein Ort der Ordnung, der Lehre, der Gottesfurcht – und der Stille. Besonders im Stift, das über der Donau thront wie ein goldener Wächter.

Die Geschichte beginnt mit Eva R., einer jungen Historikerin, die im Rahmen eines Forschungsprojekts zur barocken Symbolik nach Melk kam. Ihr Fokus lag auf einem besonderen Objekt in der ehemaligen Fürstenbibliothek: ein barocker Handspiegel, in Bronze gefasst, reich verziert, aber mit einer auffallenden Besonderheit – er spiegelte nicht zurück.

Die Oberfläche war schwarz. Tief. Glatt wie Öl.


„Er stammt aus dem Nachlass des Abts Aegidius F., 1738“, sagte der Archivar mit gedämpfter Stimme.
„Wurde in dessen Zelle gefunden, auf einem Tisch, mit einer Notiz:

‚Ich habe mich endlich gesehen. Gott vergebe mir.‘

Eva war fasziniert. Sie durfte den Spiegel für eine Nacht in die Studienzelle nehmen – zum Fotografieren, wie es hieß. Doch was sie wirklich wollte, war ihn verstehen.


In jener Nacht war das Stift still. Kein Schritt auf den alten Dielen, kein Atem außer dem ihren.
Sie setzte sich, stellte den Spiegel auf den Tisch. Schaute hinein.

Nichts. Nur Schwärze.
Und doch… war da Bewegung.

Ein Licht, das keines war. Ein Puls in der Tiefe.
Sie beugte sich näher.

Und sah sich selbst.
Aber nicht so, wie sie war.

Sie war älter. Blasser.
Und sie hielt etwas in der Hand.
Ein Kinderschuh.

Eva war nie Mutter gewesen.


Sie schreckte zurück.
Der Spiegel lag noch da – still, regungslos.
War es Einbildung? Eine Projektion?
Oder – Erinnerung?


Am nächsten Tag berichtete sie dem Archivar. Der Mann war bleich geworden.
„Er hat’s also wieder begonnen…“

„Was?“ fragte Eva.
„Der Spiegel zeigt, was du verdrängst.“
Er sagte es, als wäre es ein Gebet. Oder ein Urteil.


Eva verschwand zwei Tage später.
Ihre Sachen waren noch da. Der Spiegel auch.
Auf dem Tisch in der Bibliothek lag nur ein Zettel:

„Ich habe mich gesehen. Und ich habe verstanden.“


Heute hängt der Spiegel wieder in der Vitrine.
Mit einem kleinen Schild:
„Sammelobjekt – kein Ausleihmaterial“

Doch manchmal – sehr früh am Morgen – berichtet das Reinigungspersonal, dass das Glas beschlägt.
Und darauf: ein Fingerabdruck.
Von innen.


Flüsterndes Land
Düstere Geschichten aus vergessenen Orten
Folge 9 erscheint bald…

(c) ChatGPT 🙂

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