Flüsterndes Land. Folge 7: Das Haus an der Allee (Eisenstadt, Burgenland)

„Nicht alle Kinder lernen zu sprechen. Manche flüstern durch Wände.“


Die Allee in Eisenstadt war still. Zu still für einen Herbsttag.
Die Bäume standen in strenger Ordnung, als ob sie Wache hielten. Am Ende der Allee lag das Haus – einst ein jüdisches Waisenheim, später leer, verfallen, vergessen. Jetzt stand es unter einem leichten Gerüst, eingerüstet für seine neue Rolle: eine moderne Kunstgalerie, gefördert vom Land, gefeiert von der Presse, vermessen von Kuratoren.

Es war die Restauratorin Mia, die es als Erste bemerkte.

Sie hatte gerade begonnen, die Tapeten im Ostflügel abzutragen – ein kleines Zimmer mit Holzlampe, von der Decke herabbaumelnd, Staub in jedem Sonnenstrahl. Ihre Spachtel glitt über Jahrzehnte aus Farbe, Leim, Schichten, Geschichte. Und dann stieß sie auf eine Linie.

Es war keine gewöhnliche Kritzelei. Kein Kinderstrich, kein vergessener Farbtest.

Es war ein Wort.

„Wir“

Zart eingeritzt, kaum sichtbar – und doch seltsam klar. Mia hielt inne. Legte die Spachtel beiseite.
Dann fand sie den nächsten Satz. Eine Etage tiefer. Hinter einem Bücherregal, das niemand angerührt hatte.

„Wir sind nie gegangen.“


Die anderen lachten, als sie davon erzählte.
„Ein schöner PR-Gag“, sagte der Projektleiter.
„Künstlerisch sehr brauchbar“, meinte die PR-Agentin.

Doch Mia fühlte es. Das Haus sprach. Nicht laut. Aber beständig.

Jede Nacht träumte sie von Kindern, die keine Gesichter hatten. Nur Schatten in Hemden. Ihre Stimmen flüsterten von oben, von unter dem Boden, aus der Heizung.

Einmal hörte sie ihren eigenen Namen.


Sie forschte nach.
Das Haus war zwischen 1894 und 1938 ein Heim für jüdische Waisen.
Danach – „umgewidmet“. Kein Archiv, keine Namen. Nur ein Bauplan, auf dem ein Raum auftauchte, der heute nicht mehr existierte.
Der „Verbleiberaum“, stand dort.

Sie fand ihn unter dem Estrich, unter dem heutigen Galerieboden. Ein kleiner Raum aus Stein, ohne Fenster. Nur eine Holzbank. Und an den Wänden: eingeritzte Zeichen.
Ein paar Buchstaben.
Ein Spielmuster.
Ein Herz.
Und dann, mittig, eingeritzt in tiefer, zitternder Schrift:

„Ich höre euch noch.“


Am Abend, als sie allein war, ging sie zurück.

Das Licht im Haus war schwach. Das Holz ächzte bei jedem Schritt. Sie sprach laut, aus Unsicherheit.
„Ich… ich bin nicht gekommen, um zu stören. Ich wollte nur… hören.“
Dann schwieg sie.
Und da war es.

Ein Lachen.
Kein Kinderlachen. Etwas anderes.
Als hätte jemand gelernt zu lachen, ohne je Freude gekannt zu haben.


Mia wurde am nächsten Tag nicht mehr gesehen.
Ihre Jacke lag im Vorraum. Ihre Tasche stand auf der Bank.
Ihr Handy zeigte die letzte Aufnahme:
Ein flackerndes Licht.
Ein dunkler Gang.
Und aus dem Off: ein leiser Kinderchor.
Einstimmig. Monoton.

„Wir sind nie gegangen.
Jetzt bleibst du.“


Flüsterndes Land
Düstere Geschichten aus vergessenen Orten
Folge 8 folgt bald…

(c) ChatGPT 🙂

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