
Flüsterndes Land
Folge 1: Das Haus am Hahnenkamm – Ein Tagebuchfund
„Ein Haus, das im Nebel liegt,
vom Wind vergessen, vom Schatten bewacht.
Wer seinen Pfad betritt, wird nie wieder derselbe sein.“
Fundort:
Stadtarchiv Kitzbühel, Kellerraum IV, Umschlag mit der Aufschrift „Bichler 1926 – versiegelt“
Enthält: ein Lederbuch, schwarze Tinte, Aufzeichnungen der Historikerin Lisa Weber
Zustand: Stockflecken, Seiten teilweise eingerissen, blassgraue Ränder – wie von Asche berührt.
1. Oktober – Ankunft
Ich bin nun hier. Kitzbühel. Umgeben von Bergen, eingerahmt von Schönheit, verputzt mit glitzernder Postkartenidylle. Und doch – es liegt ein Schatten über dem Ort, den die Sonne nicht vertreiben kann.
Das Archiv der Pfarre St. Andreas, über Jahrzehnte unangetastet, offenbarte mir heute einen Fund:
Ein vergilbter Eintrag im Seelenbuch von 1926 – verstummt wie ein Grabstein.
„Bichlerhof, Ehrenbachgraben – Gelände als unheilig erklärt. Bewohner: unbekannt verschollen. Keine kirchliche Bestattung. Zugang untersagt.“
Wie kann man einen Ort vergessen, den man einst kannte? Wie kann man eine Familie aus der Geschichte reißen, als wären sie nie gewesen?
2. Oktober – Der Name, den niemand spricht
Ich fragte nach der Familie Bichler. Zuerst: Achselzucken. Dann: Schweigen.
Doch bei einer alten Frau an der Brücke zum Hornweg blitzte etwas auf – nicht Erinnerung, sondern Furcht.
„Die Bichlers? Kind, du sollst nicht in alten Wunden graben. Manche Namen… holen sich dich.“
Später, im Wirtshaus „Goldener Adler“, erzählte mir ein schweigsamer Jäger von einem Ort im Bichlwald, oberhalb der Streif, nahe des Ehrenbachgrabens.
„Ein Haus, das keiner bauen will. Ein Haus, das bleibt.“
Der Wind wehte draußen in Wellen. Und ich wusste: Ich werde es finden.
3. Oktober – Der Aufstieg
Ich nahm die Gondel zur Hahnenkammbahn. Der Himmel war klar, doch mein Herz schwer wie nasser Stein.
Nach der Bergstation verließ ich den Weg – folgte einer Linie, die nur auf alten Karten verzeichnet ist.
Der Wald wurde dichter. Kein Laut. Nicht einmal das Summen eines Insekts.
Dann, wie ein Echo aus einem alten Traum, tauchte es auf:
Ein Haus.
Zerfallen, doch stolz.
Von Moos bedeckt, doch mit Fenstern, die schienen, als blicken sie zurück.
Die Tafel über der Tür blätterte wie abgestorbene Haut:
„Gästehaus Bichler – Willkommen“
4. Oktober – Das Haus, das noch atmet
Ich trat ein. Staub und Schatten empfingen mich. Und etwas anderes – das man nicht sieht, aber spürt.
Die Möbel: angeordnet, als sei das Leben nur kurz unterbrochen worden. Teller auf dem Tisch. Zwei Kinderstühle.
Ein Schaukelstuhl, der sich noch leicht bewegte. Ich habe ihn nicht berührt.
In der Küche entdeckte ich eine Falltür, versteckt unter einer löchrigen Decke.
Sie führte in die Erde – zu etwas, das weder Keller noch Lager war.
Dort: ein Schrank, abgeschlossen mit rostigem Draht. Und darin:
Ein Tagebuch – der Einband weich vom Alter, der Geruch wie feuchtes Leder und altes Blut.
5. Oktober – Annas Worte
Die Handschrift: zart, jung, auf den letzten Seiten gehetzt.
Die Autorin: Anna Bichler. Vielleicht 14, vielleicht 15.
Ihre letzten Einträge raunen mir in der Nacht:
„Vater spricht mit dem Ding im Ehrenbach.
Es singt für ihn im Schlaf.
Mutter flüstert nur noch rückwärts.
Die Gäste… sie sind jetzt unten.
Ich soll füttern. Ich will nicht mehr füttern.“
Die Luft im Haus ist nun kälter. Ich höre das Knarzen von Schritten über mir, obwohl ich allein bin.
Oder war ich es je?
6. Oktober – Die Verwandlung
Ich wagte es, in das obere Stockwerk zu gehen.
Dort – ein Mädchen. Barfuß. Eine Puppe in der Hand, mit Nadeln im Leib. Ihre Haut: wachsig, porzellanähnlich.
Sie sah mich nicht an. Aber ihre Lippen bewegten sich.
„Bleib.“
Ich konnte mich nicht bewegen.
Im Fenster spiegelte sich nicht mein Gesicht.
Ich sah Anna.
Oder war ich Anna?
7. Oktober – Ich schreibe noch. Noch…
Der Weg ist verschwunden. Der Wald lebt. Ich höre Flüstern im Gestein.
Die Schatten werfen keine Schatten mehr.
Ich glaube, das Haus will nicht, dass ich gehe.
Ich glaube, ich bin jetzt Teil von ihm.
Wenn jemand dies findet – bitte, segnet diesen Ort.
Oder… brennt ihn nieder.
Anhang:
Die Kamera, die man Tage später im Pfarrhof fand, enthielt nur ein einziges Bild:
Das Gästehaus – vollständig intakt, erleuchtet von warmem Licht.
Auf der Veranda: eine Familie. Blass. Starr.
Alle blicken in die Kamera.
Und in der Mitte: Lisa.
Sie lächelt.
Flüsterndes Land
Düstere Geschichten aus vergessenen Orten
Folge 2 erscheint bald.
(c) ChatGPT 🙂