In den Geschichten aus dem Adventskalender kommen immer wieder Figuren vor, die erst in den letzten Jahren als „Internetphänomen“ erfunden oder gefunden wurden. Meist werden sie zwar dann auf historische Ereignisse zurück geführt, nicht selten ist jedoch ein Foto aus dem Imageboard 4chan Quelle und Inspiration für die Legenden. Ein Abriss zu einer der einflussreichsten und (vielen) unbekannten Website 4chan.
Was ist 4chan?
4chan ist im Prinzip einfach eine englischsprachige Website, auf welcher Bilder veröffentlicht werden können – ein sogenanntes Imageboard. Es wurde 2003 von moot (Christopher Poole) als Tauschplattform für Anime-Bilder gegründet und geht weitgehend auf das japanische 2channel, das größte Internetforum der Welt, zurück.
Im Unterschied zu sonst üblichen Foren sind Beiträge in 4chan allerdings sehr kurzlebig: ältere Beiträge werden einfach gelöscht und verschwinden. Dadurch verbleiben Beiträge in sehr aktiven Foren oftmals nur einige Stunden.
Spiegel Online beschreibt 4chan als
„[…] eine Mem-Schleuder, eine Brutstätte für ansteckende Ideen, aber auch ein abgründiger Ort, an dem Scheußlichkeiten, rassistische und sexistische Tiraden und Bilder weit jenseits der Grenzen des guten Geschmacks veröffentlicht werden. […] Die Welt von 4Chan ist dunkel und seltsam, wie das Innenleben eines verwirrten Provinz-Teenagers um 3 Uhr morgens.“
Teilnehmen kann im Prinzip jeder, ohne Kosten und zu jedem Thema. Auch thematisch herrscht weitgehend Anarchie vor. So ist es einerseits möglich, einen neuen Thread zu eröffnen oder andererseits in einem bestehenden einen Kommentar hinzuzufügen. Täglich besuchen rund eine Viertel Million Menschen 4chan, wodurch es zu einer der erfolgreichsten Webseiten des Internets zählt.
Auch wenn die Subboards auf 4chan selbst nicht von Dauer sind, gibt es doch zwischenzeitlich Dienste, die das Archivieren übernehmen. So bietet beispielsweise 4plebs diesen Service unter http://archive.4plebs.org an.
Inhalte von 4chan
4chan ist derzeit in etwa 50 Kanäle gegliedert und reicht von Comics für Kinder bis hin zu Hardcore Bildern für Erwachsene. Durch die freizügige Inhaltspolitik und die scheinbare Anonymität finden sich eine Vielzahl an skurrilen, dümmlichen oder halb-legaler Inhalte in den Posts.
Bekannte Subboards von 4chan sind:
- /b/ – Random: ist das größte Subboard von 4chan, bei welchem es um nichts Bestimmtes geht. Hier kann bis auf Gesetzesverstöße alles gepostet werden. Dementsprechend vielfältig sind die Posts: beispielsweise wird seitenlang über die Islamisierung Deutschlands hitzig debattiert, über die Qualität der Brüste der Freundin abgestimmt oder das Röntgenbild der Weisheitszähne gemeinsam ausführlich analysiert.
- /x/ – Paranormal: in diesem Subboard nahmen bereits einige paranormalen Internetphänomene ihren Ausgang. Beispielsweise die Figur des „Grifter“ oder des „Smile Dog„. Das Subboard hat allerdings bei weitem nicht den Umfang und die Aufrufe wie /b/.
Bekannte Internetphänomene
Durch 4chan entstanden einige bekannte Internetphänomene, meist indem die Fotos auch außerhalb der Website regen Austausch fanden.
Bekannte Phänomene, die von 4chan ausgingen:
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„Caturday“: Eine Initiative für Katzenfotos, die mit einem (grammatikalisch) falschen Satz kombiniert werden. Heute besser bekannt unter dem Titel „Lolcats“ bzw. „Lolcatz“.
- „Pedobear“: Ein Bär aus ASCII-Zeichen, welcher ursprünglich aus dem Board 2channel stammte, wurde von 4chan pervertiert, indem er zum pädophilen Bär abgewandelt wurde.
- „Epic Fail Guy„: Ein Strichmännchen-Comic, das mit jeder Antwort weiter erzählt wird. Sein Gesicht ist häufig jenes der Maske von Anonymous.
- „Rickrolling“: Bezeichnet eine scherzhafte Irreführung, bei der man letztlich beim Video von Rick Astley’s ‚Never gonna give you up‘ landet. Meist ausgelöst durch Links mit dem Versprechen auf Nacktfotos und dergleichen mehr. Entstand ursprünglich 2005 im Forum 4chan, als das Wort „egg“ durch „duck“ ersetzt wurde, und man zu einem Foto mit einer Ente auf Rädern weitergeleitet wurde. Weitere Infos bei Wikipedia.
- „Swastika Google Hack„: Über Nacht wurde das Hakenkreuz-Symbol (卍) auf Google’s „Hot Trends“ Liste auf den ersten Platz gesetzt, indem im Board 4chan das HTML-Zeichen veröffentlicht und von zahlreichen Lesern via Google gesucht wurde. Siehe dazu auch Spiegel Online.
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„Chanology„: Ein Anti-Scientology Projekt, das 2008 als Reaktion darauf entstand, dass Scientology ein unvorteilhaftes Video von Tom Cruise zu löschen begann. Ergebnis war die bislang größte Kampagne, die aus dem /b/-Board hervorgegangen ist und erklärterweise die Zerstörung von Scientology im Internet zum Ziel hat. Sie führte auch zur breiten Bekanntheit von Anonymous.
- „Time 100„: Jedes Jahr wählt das Time-Magazin die 100 einflussreichsten Personen der Welt, so auch im Jahr 2009. In der Vorauswahl hatte der auch weitgehend unbekannte Begründer von 4chan „Moot“ einen Platz. Seine begeisterte Fangemeine katapultierte ihn mittels Manipulation nicht nur auf Platz 1, sondern reihte den Rest der Teilnehmer auch nach einem Nonsens-Satz „Marble cake also the game“. Siehe dazu auch Spiegel Online.
- „YouTube Pornday„: Am 6. Jänner 2010 wurde der Pornday von der 4chan-Gemeinde für YouTube ausgerufen. Dabei wurden massenhaft getarnte Pornos auf YouTube geladen, um gegen die Sperre des Benutzers „Lukeywes1234“ zu protestieren. Lukeywes1234 war ein noch nicht 13jähriger und damit gegen die YouTube Regeln verstoßender Junge, der Videos mit relativ harmlosen Rollenspielen mit Spielfiguren auf YouTube lud. Siehe dazu auch Spiegel Online.
Slang und Verhaltenskodex in 4chan
4chan kennzeichnet auch einen eigenen Slang, der sich zwischenzeitlich weit verbreitet hat: so werden menschliche Typisierungen mit „fag“ gekennzeichnet, etwa wird der Neuzugang zum „Newfaq“ oder ein Deutscher zum „Germanfag“. Eine Übersicht der verwendeten Elemente findet sich unter https://encyclopediadramatica.se/.
4chan hat sich auch einige Grundregeln zugelegt, wobei die ersteren beiden aus dem Thriller „Fight Club“ geliehen sind:
- do not talk about /b/. (1. Sprich nicht über /b/)
- do NOT talk about /b/. (2. Sprich NICHT über /b/)
- We are Anonymous. (3. Wir sind Anonymous)
- Anonymous is legion. (4. Anonymous ist Legion)
- Anonymous never forgives. (5. Anonymous vergibt nie)
- Anonymous can be a horrible, senseless, uncaring monster. (6. Anonymous kann ein schreckliches, vernunft- und gefühlsloses Monster sein.)
Vor allem das Internetphänomen Anonymous fand im Forum seine Wurzeln und entwickelt sich seitdem rasch weiter. Anfänglich als Spaßbewegung konzipiert, wandelte sich Anonymous mit dem Projekt „Chanology“ zur politischen Protestbewegung für Redefreiheit, Unabhängigkeit des Internets und gegen globale Konzerne, staatliche Behörden u.a.m.
Dabei sei am Rande erwähnt, dass sich die Anonymität der Nutzer vor allem dadurch ergibt, dass die Einträge im Board unzensiert und unmoderiert veröffentlicht werden (können). Neben dem kopflosen Anzugträger wird dementsprechend auch häufig eine Maske als Symbol für die Bewegung verwendet und als Abkürzung schlichtweg Anon.
Insgesamt gibt es bei Anonymous keine Führung oder Mitgliedschaft im eigentlichen Sinne. Deshalb sind auch Falschmeldungen oder eigenwillige Alleingänge keine Seltenheit. Dabei bleibt nach Wikipedia Spaß nach wie vor im Fokus der Bewegung:
„… Anonymous must have no higher cause than its own cruel amusement …“
(„… Anonymous darf kein höheres Anliegen als sein eigenes grausames Vergnügen haben …“).
Quelle für Geschichten
Insgesamt ist die Kategorie /x/ mit Sicherheit eine Quelle für Geschichten oder Inspirationen, wenn man selbst welche schreibt. Die Fotos sind bunt gemischt aus Filmen, selbst gebastelten Animationen oder veränderten Fotos. Manche sind witzig, manche eklig und dritte gruselig oder einfach nur schrecklich. In jedem Fall ist das Board einen Besuch wert..
URL: http://www.4chan.org/
URL: http://www.4chan.org/b/ – Random
URL: http://www.4chan.org/x/ – Paranormal
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